Forschungsschwerpunkte Sozialpsychologie
Im Folgenden finden Sie Kurzbeschreibungen ausgewählter aktueller Forschungsprojekte.
Personenwahrnehmung und Eindrucksbildung aus Verhalten
Wenige Informationen reichen uns oft schon aus, um uns einen Eindruck über eine Person zu bilden: Wir neigen dazu, Personen Eigenschaften zuzuschreiben, selbst wenn wir nur ein Foto ihres Gesichts gesehen haben oder über ein einzelnes Verhalten dieser Person erfahren. Unsere Arbeitsgruppe erforscht die grundlegenden sozial-kognitiven Verarbeitungsprozesse, die solchen spontanen Eigenschaftszuschreibungen zugrunde liegen, welche Informationen dabei genau verarbeitet werden, wie sie mit anderen Informationen integriert werden und welche Konsequenzen diese Prozesse für unser soziales Interaktionsverhalten haben. Diese Forschung wird derzeit durch finanzielle Projekt-Förderung durch die Deutsche Forschungsgesellschaft (DFG), sowie eine weitere Projektförderung durch die Landesforschungsförderung der Stadt Hamburg (LFF) gefördert.
Automatische Bewertungsprozesse als Grundlage von Vorurteilen, Stereotypen und Diskriminierung
Wenn wir Personen wahrnehmen, verarbeiten wir grundlegende Kategorienzugehörigkeiten, und schreiben Personen beispielsweise Alter, Geschlecht oder ethnische Zugehörigkeit ganz automatisch zu, ohne uns unbedingt dessen bewusst zu werden. Dies kann zur Folge haben, dass Vorurteile und Stereotype über bestimmte soziale Gruppen uns selbst dann beeinflussen, wenn wir das nicht möchten oder überzeugt sind, tolerant zu denken und zu handeln. Wir erforschen, welche Konsequenzen solche automatischen Verarbeitungsprozesse für die Bewertung von Personen, die Bereitschaft zur Interaktion und politische Polarisierungsprozesse haben.
Soziale Identität bei Mitgliedern stigmatisierter Gruppen
Mitglieder stigmatisierter Gruppen sind negativen Bewertungen, Vorurteilen und Diskriminierung in der Gesellschaft ausgesetzt. Wir erforschen, welchen Einfluss diese Erfahrungen haben und wie soziale Identität bei Mitgliedern verschiedener stigmatisierter Gruppen zu verstehen ist. Wie entstehen und entwickeln sich soziale Identität, Gruppenzugehörigkeit und Stigmatisierungsbewusstsein im Kindes- und Jugendalter? Welche Rolle spielen verschiedene Sozialisationsfaktoren dabei? Welchen Einfluss haben Diskriminierungserfahrungen? Unterscheiden sich verschiedene stigmatisierte Gruppen hinsichtlich dieser Prozesse und wieso? Der Fokus liegt hierbei insbesondere auf der Perspektive und den Erfahrungen von Minoritäten.
Automatische Eigengruppeneinstellungen bei Mitgliedern stigmatisierter Gruppen
Wie gehen Mitglieder stigmatisierter Minoritäten mit den negativen Bewertungen oder Stereotypen der Gesellschaft um? In diesem Forschungsprojekt untersuchen wir, ob bzw. unter welchen Bedingungen negative Stigmata akzeptiert und internalisiert oder korrigiert und aktiv bekämpft werden. Wir fokussieren hier vor allem auf die Unterscheidung von unbewussten, automatischen Prozessen von bewussten, kontrollierten Prozessen. Diese Forschung wird derzeit durch eine Anschubfinanzierung im Rahmen der Exzellenzstrategie von Bund und Ländern unterstützt.
Gesichtswahrnehmung und soziale Kategorisierung
Wir haben oft Schwierigkeiten, wenn wir das Gesicht einer Person mit fremder Ethnizität wiedererkennen sollen. Schnell kommt uns dabei der Gedanke: „Die sehen doch alle gleich aus“. Dieser sogenannte Other-Race-Effect wird in der Sozialpsychologie schon sehr lange beforscht. In unseren Studien untersuchen wir, inwiefern Aufmerksamkeits- und Arbeitsgedächtnisprozesse zu der schlechten Wiedererkennungsleistung beitragen, und welche individuellen Erfahrungen und Einstellungen und situativen Einflüsse diesen Effekt verstärken oder verringern. Diese Forschung wurde unter anderem durch eine Projektförderung aus dem Ideen- & Risikofonds der Universität Hamburg unterstützt.
Die Automatizität von Annäherungs- und Vermeidungsverhalten
Sich einer Person oder Situation anzunähern bzw. sie zu vermeiden sind Verhaltensentscheidungen, die oft automatisch ausgelöst werden und von sponanten Bewertungen gelenkt werden. Zusammen mit unseren Kooperationspartnern Dominique Muller (Grenoble), François Ric (Bordeaux), Regina Reichardt (Regensburg) und Marine Rougier (Louvain la Neuve) untersuchen wir, welche evaluativen und emotionalen Verarbeitungsprozesse solchen automatischen Verhaltensentscheidungen zugrunde liegen. In diesem Projekt nutzen wir sowohl typische sozial-kognitive Annäherungs- und Verhaltensmaße, arbeiten jedoch auch zunehmend mit virtuellen Realitäten (Kooperation Frank Steinicke, Human Computer Interactions Uni Hamburg).
Tools zur Verbesserung von psychologischen familiengerichtlichen Begutachtungen
Im Rahmen dieses Ansatzes von anwendungsorientierter Wissenschaft werden am Fachbereich Tools entwickelt, welche psychologische Gutachtende im Familienrecht nutzen können. So wurden und werden alternative Stichproben für im Familienrecht gängige psychologische Testverfahren generiert und Sachverständigen kostenlos zur Verfügung gestellt. Weitere Tools, die bereits entwickelt wurden oder in Entwicklung sind, sind z.B. Experten:innen validierte Interviewleitfäden, Kalkulationshilfen für Kritische Differenzen und Konfidenzintervalle und Erhebungsinstrumente für Eltern. Die Idee ist, anwendungsorientierte Lösungen bereit zu stellen, um damit die Qualität von Gutachten im Familienrecht langfristig zu verbessern.