Handlungs- und Entscheidungsprozesse
Die frühe Forschung zu menschlichen Entscheidungsprozessen wurde durch die Annahme eines homo oeconomicus, eines vollständig rationalen Entscheiders, geprägt. Mittlerweile jedoch scheint weitestgehend Einigkeit darüber zu bestehen, dass Menschen die Annahmen der rationalen Entscheidungstheorie häufig verletzen. Wir verhalten uns nur sehr selten vollständig rational. Stattdessen nutzen wir eine Vielzahl von Heuristiken, die uns effizientes Entscheiden und Handeln im Lichte begrenzter Zeit, begrenzter Informationen und begrenzter kognitiver Ressourcen ermöglichen. Im Zuge der Entwicklung der bildgebenden Verfahren wurden Entscheidungsprozesse schnell zu einem zentralen Forschungsgebiet der kognitiven Neurowissenschaften und Areale im präfrontalen und parietalen Cortex sowie im ventralen Striatum wurde als für menschliches Entscheidungsverhalten zentral identifiziert. In Übereinstimmung mit vorherigen Nagetierstudien konnten wir zeigen, dass der orbitofrontale Cortex beim Menschen für das zielgerichtete Handeln bedeutsam ist und Stress, vermittelt über Glucocorticoide und Noradrenalin, einen Wechsel vom zielgerichteten zum gewohnheitsbasierten Verhalten befördert. Darüber hinaus konnten wir mit Hilfe der funktionellen Bildgebung zeigen, dass die Neigung, bei aktuellen Entscheidungen bereits getätigte Investitionen zu berücksichtigen, durch das Zusammenspiel von ventromedialen und dorsolateralen präfrontalen Regionen vermittelt wird.
Wir alle treffen Tag für Tag unzählige Entscheidungen, von denen einige nur geringe Bedeutung, andere jedoch beträchtliche Konsequenzen für den Rest unseres Lebens haben. Effizientes Entscheiden ist in vielen Lebensbereichen zentral und Entscheidungsdefizite sind ein zentrales Kennzeichen verschiedener psychischer Störungen. Die Erforschung der psychologischen und neuronalen Mechanismen, die unserem Entscheiden und Handeln zu Grunde liegen, ist somit für viele Bereiche relevant und ein tiefergehendes Verständnis darüber, wie unser Entscheidungsverhalten verbessert werden kann, wäre von hohem persönlichen und gesamtgesellschaftlichen Nutzen. Neben der Erforschung grundlegender Mechanismen von Handlungs- und Entscheidungsprozessen sowie deren Modulation durch Stress, interessieren uns zunehmen auch soziale Einflüsse auf Entscheidungsprozesse.
Fragestellungen, die wir untersuchen, sind beispielsweise:
- Welche Mechanismen liegen dem Einfluss vergangener Entscheidungen auf unser aktuelles Entscheidungsverhalten zu Grunde?
- Wie können andere Personen unser Entscheidungsverhalten beeinflussen?
- Wie verändern Stress und Stressmediatoren unser Entscheidungsverhalten?
Ausgewählte Publikationen zu diesem Themenbereich:
Kluen LM, Agorastos A, Wiedemann K, Schwabe L (2017) Cortisol boosts risky decision-making behavior in men but not in women. Psychoneuroendocrinology, 84, 181-189.
Bogdanov, M., Ruff, C. C., & Schwabe, L. (2017). Transcranial stimulation over the dorsolateral prefrontal cortex increases the impact of past expenses on decision-making. Cerebral Cortex, 27, 1094-1102.
Haller, A. & Schwabe, L. (2014). Sunk costs in the human brain. Neuroimage, 97, 127-133.