Einfluss von Stress auf kognitive Prozesse
Stress hat einen maßgeblichen Einfluss auf unsere Gesundheit, unsere Emotionen und Kognitionen. Insbesondere kann Stress einen Einfluss darauf haben, wie viel und was wir in einer Situation lernen und erinnern. Allgemein wird angenommen, dass Stress die Gedächtnisbildung verbessert und den Gedächtnisabruf verschlechtert. Zudem konnten wir in der Vergangenheit zeigen, dass Stress auch einen Wechsel von flexiblen, aber kognitiv aufwendigen Gedächtnisprozessen hin zu eher rigiden, aber effizienten Gedächtnisprozessen befördert. Diese Effekte von Stress sind sehr wahrscheinlich auf das zeitgleiche Wirken von Glucocorticoiden und Noradrenalin im basolateralen Kern der Amygdala zurückzuführen, welche dann Gedächtnisprozesse in anderen relevanten Hirnregionen wie dem Hippocampus verändert. Wenngleich die Mehrzahl der Studien auf den Einfluss von Stress auf Hippocampus-abhängige Lern- und Gedächtnisprozesse fokussiert, gibt es vermehrt Hinweise dafür, dass Stress auch Gedächtnisprozesse, die nicht vom Hippocampus abhängen, sowie andere kognitive Funktionen, wie das Arbeitsgedächtnis, Entscheidungsprozesse oder kognitive Kontrollprozesse, verändern kann.
Stress ist in unseren modernen Gesellschaften allgegenwärtig. Zugleich gewinnen Konzepte wie das lebenslange Lernen zunehmend an Bedeutung. Stresseinflüsse auf kognitive Prozesse sind damit in Bildungs- und Arbeitskontexten zweifelsohne sehr bedeutsam. Darüber hinaus haben die Effekte von Stress auf kognitive Prozesse jedoch auch weitreichende klinische Implikationen. Verschiedene psychische Störungen, wie etwa Depressionen, Angststörungen oder Abhängigkeitserkrankungen, sind einerseits durch dysfunktionale Stresssystemreaktionen und andererseits durch auffällige kognitive Prozesse gekennzeichnet. Die Erforschung von Stresseinflüssen auf kognitive Prozesse kann daher auch zu einem besseren Verständnis dieser Störungsbilder beitragen und möglicherweise den Weg zu neuen therapeutischen Ansätzen bereiten.
Fragestellungen, die wir untersuchen, sind beispielsweise:
- Wie verändert Stress die Beiträge verschiedener Gedächtnissysteme zum instrumentellen Lernen oder zum Furchtlernen?
- Welche Mechanismen tragen zur gesteigerten Gedächtnisleistung für stresshaften Episoden bei?
- Wie verändert Stress Entscheidungsprozesse?
Ausgewählte Publikationen zu diesem Themenbereich:
Kalbe, F., Bange, S., Lutz, A., & Schwabe, L. (in press). Expectancy Violation Drives Memory Boost for Stressful Events. Psychological Science.
Wanke, N., & Schwabe, L. (2020). Subjective uncontrollability over aversive events reduces working memory performance and related large-scale network interactions. Cerebral Cortex, 20, 3116-3129.
Simon-Kutscher, K., Wanke, N., Hiller, C., & Schwabe, L. (2019). Fear without context: acute stress modulates the balance of cue-dependent and contextual fear learning. Psychological Science, 30, 1123-1135.
Trapp, S., O'Doherty, J.P. & Schwabe, L. (2018) Stressful events as teaching signals for the brain. Trends in Cognitive Sciences, 22, 475-478.
de Quervain, D., Schwabe, L., & Roozendaal, B. (2017). Stress, glucocorticoids and memory: implications for treating fear-related disorders. Nature Reviews Neuroscience, 18, 7-19.
Wirz, L., Wacker, J., Felten, A., Reuter, M., & Schwabe, L. (2017). A deletion variant of the α2b-adrenoceptor modulates the stress-induced shift from ‘cognitive’ to ‘habit’ memory. The Journal of Neuroscience, 37, 2149-2160.
Kluen, L. M., Nixon, P., Agorastos, A., Wiedemann, K., & Schwabe, L. (2017). Impact of stress and glucocorticoids on schema-based learning. Neuropsychopharmacology, 42, 1254-1261.